Stachlige Angelegenheiten

Tucson, die zweitgrösste Stadt Arizonas, ist unser nächstes Ziel. Tucson liegt in der Sonora Wüste, einer der weltweit grössten Wüsten, die sich bis weit nach Mexiko erstreckt. Uns lockt die einmalige Wüstenlandschaft, welche aber die Stadt auch in ein anderes Licht rückt. Denn hier in Tucson stranden viele illegale Einwanderer, die es zu Fuss über die trockene und heisse Grenze in den Norden geschafft haben. Für viele davon ist hier aber auch schon wieder Endstation und ihre Träume werden zerschmettert. Von einem Einheimischen haben wir zudem vor einigen Tagen erfahren, dass es viele Obdachlose gibt, ansonsten aber die Region einiges schöner als Phoenix, die Hauptstadt Arizonas sei. Wir sind gespannt, was uns erwartet.

Wir fahren rein in die Stadt und sehen auch schon bald, weshalb wir hier sind: die riesigen Saguaros, Riesenkakteen, wachsen hier am Strassenrand. Mitten in der Stadt, einfach überall. Die Saguaros bestimmen hier das Stadtbild, denn ein Kaktus wird nicht einfach entfernt, wenn er dort steht, wo eine Strasse hin soll. Nein, die Strasse wird rundherum gebaut, denn die Saguaros sind geschützt und einen Saguaro zu fällen ist illegal. Nichtsdestotrotz gibt es nicht mehr ganz so viele dieser Pflanzen wie vor einigen Jahrzehnten. Eindrückliche Bilder davon, gibt es in der Ausstellung im Saguaro Nationalpark. Der Nationalpark schützt, was noch übrig ist. Klimaveränderungen, aber auch der Einfluss des Menschen, haben die Bestände der Kakteen dezimiert.

Der Saguaro Nationalpark besteht aus zwei Teilen, dem östlichen und dem westlichen Teil. Dazwischen leben eine Million Menschen im Grossraum Tucson. Wir besuchen zuerst den östlichen Teil. Es ist gewaltig, wie gross und alt diese Kakteen werden. Um es kurz zu beschreiben, ein Kaktus mit der ungefähren Grösse eines erwachsenen Menschen ist etwa 30-50 Jahre alt. Wenn dem Kaktus die ersten Arme wachsen, ist er gegen 80 Jahre alt. Hat er seine maximale Grösse von ungefähr 15 Metern erreicht, ist er mindestens 150 Jahre alt. Krass, denn die meisten dieser grünen Riesen überragen Lenny um Längen!

Wir fahren die kurze Rundstrecke im Park ab und stoppen bei diversen Aussichtspunkten, Infotafeln oder Parkplätzen für Wanderungen. Es gibt hier diverse lange Wanderungen, die weit ins Gebirge und die Wüste reichen, doch dafür ist es uns zu heiss. Wir belassen es bei den Kurzen, machen dafür etliche Spaziergänge durch die lebensfeindliche Landschaft. Hier hat alles Dornen, sogar die Grässer oder die Bäume (und ja, Manuel merkt das auch schnell, man läuft ja auch nicht mit Flipflops in der Wüste rum… die Dornen sind lang und schmerzen😉). In der Wüste hat sich jede Pflanze und jedes Tier an die Begebenheiten angepasst und versucht sich so gut wie möglich vor Fressfeinden zu schützen. Der Saguaro ist hier auch nicht der einzige Kaktus. Wir lernen diverse Kakteen kennen, zum Beispiel den Teddybär Cholla, den Prickly Pear Cholla oder den Fishhook Barell. Lustige Namen, aber sie kommen nicht von ungefähr. Der Teddybär sieht zum Kuscheln aus, denn die Dornen sehen aus wie ganz feine Haare, oder der Fishhook Barell (Fischhacken Fass) hat die Form eines Ölfasses mit Tausenden Wiederhacken dran.

Neben der eindrücklichen Pflanzenwelt gibt es in der Sonora Wüste auch eine beeindruckende Tierwelt. Für die meisten Tiere ist es aber wohl zu heiss, denn wir sehen nicht viel. Manuel hofft immer noch auf das Gila Monster, Steffi auf den Kolibri oder den Roadrunner (Beep-Beep von Bugs Bunny). Leider lässt sich nichts aus unserer Wunschliste blicken, dafür aber sonst einige kleine Krabbeltiere. Vor allem Echsen: Zebra-Schwanzechsen hat es an jeder Ecke und Steffi entdeckt eine Kurzhorn-Krötenechse.

Da der Nationalpark inmitten einer Millionenmetropole liegt, ist es mit Campieren nicht ganz so einfach. Es gibt einige Plätze etwas ausserhalb, da wurden jedoch Schüsse und Überfälle gemeldet und wir verzichten dankend auf diese Erfahrung. Wir fahren zum Walmart und sind erstaunt, wie sauber und ruhig so ein Parkplatz in einer so grossen Stadt sein kann. Perfekt für uns, um den westlichen Teil des Nationalparks am nächsten Tag zu erkunden. Positiver Nebeneffekt von so einer Walmart-Nacht, kochen ist eher unpraktisch, dafür gib es nebenan noch ein Steakhouse 😊

Der Westteil des Nationalparkes soll angeblich mehr Kakteen haben und daher noch schöner und eindrücklicher sein. Wir sind gespannt und freuen uns auf einen weiteren Tag unter Kakteen. Es gibt wiederum einen Loop, welchen man mit dem Fahrzeug fahren kann. Hier jedoch gibt es keine feste Strasse, sondern man fährt auf einer Schotterpiste oder im Bachlauf. Eher grenzwertig für ein Fahrzeug wie unseren Lenny… Wir müssen am Abend sicher wieder mal alle Schrauben nachziehen.

Es gibt hier im Westen tatsächlich noch viel mehr Kakteen als im Osten. Bei den paar kleinen Wanderungen auf die Hügel hat man einen eindrucksvollen Ausblick über das Tal und die wahrscheinlich tausenden Saguaros. Wie am Vortag machen wir auch hier wieder diverse Spaziergänge und erkunden die Wüstenlandschaft – einstimmig können wir aber nach den zwei Tagen sagen, der Osten hat uns besser gefallen. Man hat dort zwar weniger grosse Saguaros, dafür aber eine grössere Vielfalt an Pflanzen, mehr Tiere und schönere Wanderwege. Natürlich haben wir nur einen Bruchteil gesehen, so aber unser erster Eindruck. Jedenfalls ist die Landschaft hier einmalig (wortwörtlich, denn es gibt nur noch wenige Saguaros im südlichen Kalifornien und im Norden Mexikos, der Rest ist hier in Arizona) und es gefällt uns sehr gut. Wir würden wieder kommen!

Am Abend erleben wir nochmals einen einmaligen Wüsten-Sonnenuntergang, bis Steffi am Himmel etwas Komisches entdeckt. Sieht aus wie ein Flugzeug, leuchtet aber etwas sehr komisch, vor allem weil es zuerst senkrecht hoch ging. Später erfahren wir, dass SpaceX eine Rakete mit 53 Starlink-Satelliten an Board an der kalifornischen Küste hochgeschickt hat und dies vom 800 Kilometer entfernten Arizona gut sichtbar gewesen ist.

Bevor wir die Region Tucson verlassen, nächtigen wir ausserhalb der Stadt auf dem Weg nach Phoenix. Wir biegen von der Interstate ab, auf eine kleine Nebenstrasse und befinden uns schon bald wieder im Paradies. Wir finden einem BLM Campground inmitten riesigen Saguaros. BLM Campgrounds sind Campingplätze des Bureau of Land Management ohne jegliche Infrastruktur. Diese werden vom Staat zur Verfügung gestellt und dürfen kostenlos genutzt werden. Wie auch immer, es ist wunderschön und wir geniessen einen genialen Sonnenuntergang mit atemberaubender Kulisse. Kurz nach Sonnenuntergang hört Manuel etwas rascheln im Gebüsch und hat schon Angst, dass es eine Klapperschlange oder sonst was Giftiges ist. Hobby-Biologin Steffi identifiziert den kleinen, süssen Störenfried jedoch schnell als eine gefährdete Känguru-Ratte. Die Ratte hat anscheinend Freude an uns. Den ganzen Abend raschelt es rund um uns, und immer wieder ertappen wir den Nager wie sie sich unter Lenny versteckt und uns beobachtet. Wahrscheinlich campen wir einfach direkt über ihrem Bau 😊

Heute ist fahren angesagt. 500 Kilometer in den Westen wollen wir – zum Joshua Tree Nationalpark. Uns wurde empfohlen die Grossstadt Phoenix so gut es geht zu umfahren und besser die südliche Interstate zu nehmen. Das machen wir und fahren entlang der mexikanischen Grenze zurück nach Kalifornien (ja wirklich entlang der Grenze, in der Ferne sehen wir sogar die Trump Wall). Im späteren Nachmittag erreichen wir den südlichen Eingang des Joshua Tree Nationalparks, verzichten aber auf weitere Erlebnisse für heute und stellen direkt vor den Toren des Nationalparks unser Campingmaterial auf und servieren uns selber ein Apero.

Der Joshua Tree Nationalpark hat seinen Namen vom Joshua Tree, einer im Park verbreiteten Pflanze. Der Joshua Tree hat kleine, spitzige Blätter, ist aber kein Kaktus und auch kein Baum wie man dem Namen entnehmen könnte. Der Joshua Tree ist eine Palmlilie und eng verwandt mit der Agave (die zum Herstellen von Tequila verwendet wird) und gehört zu den Spargelgewächsen. Wie schon der Saguaro werden Joshua Trees auch über 150 Jahre alt. Der Nationalpark erstreckt sich von der Colorado Wüste in die Mojave Wüste, was gut sichtbar ist da sich die Landschaft und Vegetation stark verändert. Von der kargen Wüste geht es über steiniges Gebirge, welche die Grenze der zwei Wüsten darstellt. Dahinter verbirgt sich die Mojave Wüste, welche mit seinen Joshua Trees auftrumpft. Wir machen hier wieder diverse Wanderungen, bzw. kleinere Spaziergänge. Ein Highlight ist der Teddybär Cholla Garden, ein Garten, der anmutet als wäre er von Menschen gepflanzt worden. Tausende von Teddybär Kakteen wachsen hier innerhalb weniger Hundert Meter. Ansonsten findet man die Pflanze fast nirgends im Park. Auf dem Weg wieder raus aus dem Park meint Manuel, dass es schon schade sei, dass wir nicht viel Wildlife gesehen haben: «keine Klapperschlange, kein Koyote, kein… ooohhh wow, da vor uns ist ein Koyote!»

Nach der langen Fahrt von New Mexiko, via Arizona nach Kalifornien, nehmen wir es wieder etwas gemütlicher. Wir verbringen gleich 3 Nächte auf dem BLM Camp vor dem Südeingang des Parks. So können wir den Joshua Tree Nationalpark richtig auskosten, sind aber nicht immer den ganzen Tag unterwegs. Wir geniessen den Stellplatz und die letzten Tage in der Natur, bevor wir wieder in Richtung Zivilisation weiterfahren.

Und die Zivilisation lässt nicht lange auf sich warten, den der Grossraum Los Angeles mit seinen 18 Millionen Menschen liegt keine 200 Kilometer mehr entfernt. Doch bevor wir uns auf den Weg machen, legen wir noch einen Zwischenstopp in Palms Springs ein. Wir haben da einen Termin. Damit auch bei den bald anstehenden Grenzübergängen alles reibungslos läuft werden wir nochmals geboostert.

2 Kommentare zu „Stachlige Angelegenheiten“

  1. Hey, ihr zwei, da wären wir uns fast wieder begegnet? Wir sind am 30.10. im Saguaro NP gewesen 🙂
    Der Grenzübertritt nach Mexiko war bei uns völlig problemlos, man muss nur etwas Zeit mitbringen.
    Liebe Grüße von Silke und Stefan

    1. Dann haben wir uns wirklich nur knapp verpasst 🙂 Wir hoffen ihr habt es gut in Mexico, wir werden diese Woche nach Baja einreisen. Hoffentlich auch ohne Probleme wie ihr 😉

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