Erholung im spirituellen Dorf

Mit müden Beinen kämpfen wir uns nach einem anstrengenden Wochenende am Montagmorgen zurück in die Schule. Der Intensivunterricht ist ja schon anstrengend, aber mit der Müdigkeit von der Wanderung im Gesicht ist das nochmals eine ganz andere Liga. Steffi’s Lehrer Mario, fragt ob sie denn heute nicht so fit sei, sie sehe wirklich müde aus. Wir schlagen uns tapfer und hoffen einfach das bald Pause und dann Mittagszeit ist.

In der Schule treffen wir zwei neue Schüler. Julie und Jeff, die Kanadierin und der Australier die wir in unseren letzten Tagen in Belize kennengelernt haben. Sie haben sich auch spontan dazu entschieden einen Sprachkurs zu belegen, da sie noch auf neue Papiere für ihre Motorräder warten. Kay und Franzi verlassen uns in Richtung El Salvador, Heinz, Michaela und Peter drücken mit uns noch eine Woche die Schulbank.

Der Muskelkater erreicht am Dienstag seinen Höhepunkt und Steffi verflucht uns, dass wir ausgerechnet heute in ein Irish Pub mit Dachterrasse wollen – Treppe steigen, bzw. runterzusteigen ist nämlich das schlimmste. Naja, Hauptsache es gibt Guinness – wenn auch nicht zu guatemaltekischen Preisen, aber man gönnt sich ja sonst nichts 🙂

Die Woche vergeht super schnell und ohne grosse Spektakel. Immer wieder bekommen wir auf dem Campingplatz neue Nachbarn. So zum Beispiel die Franzosen Remi und Natacha, die beiden haben wir in Chichi auf dem Markt getroffen oder die Walliser Tamara und Andi die von Patagonien nach Alaska unterwegs sind. Langweilig wird uns nicht in Antigua. Obwohl, langsam freuen wir uns am Samstag endlich weiterzufahren.

Am Donnerstag hat Manuel den letzten Termin bei seiner Dentista und kriegt den langersehnten (nicht goldenen) Zahn. Unseren letzten Schultag am Freitag verbringen wir für einmal nicht am Pult beim Büffeln von Vokabeln und Grammatik. Wir machen einen Schulausflug, mit dabei ist aber nur Steffi’s Lehrer Mario, denn Manuel’s Lehrerin kann aus gesundheitlichen Gründen keine grossen Ausflüge machen. Aber Mario schafft das auch mit uns beiden.

Wir besuchen den Ort Santa Maria de Jesus. Das Dorf liegt auf den Hängen des Vulkans de Agua, etwas erhöht über Antigua. Der Ort ist berüchtigt für seine indigene Bevölkerung, die sich erfolgreich gegen die Regierung und gewisse kapitalistischen Pläne stellt. So zum Beispiel haben sie bewaffnet erfolgreich den Bau einer Seilbahn auf den Vulkan blockiert, bis die Pläne aufgegeben wurden. Gewalt liegt aber nicht mehr an der Tagesordnung, sondern heute ist der Ort einfach noch sehr traditionell und urtümlich.

Deshalb besuchen wir den Wochenmarkt im Zentrum des Ortes. Mario macht uns bekannt mit Gemüse und Früchten, die wir noch nie zuvor gesehen oder gegessen haben. Zum Beispiel das Gemüse Pacaya, das man wie Pasta im Salzwasser kocht und einen bitteren Geschmack hat. Wir probieren mit Ei panierte und frittierte Pacaya – nicht so unser Ding. Wir verkosten noch einiges mehr und Steffi wird sogar noch zum Kochen aufgefordert. Mario besucht mit uns sein Lieblingsrestaurant (ein Stand am Markt) und sagt den Frauen, die dort arbeiten, sie sollen Platz für seinen Tortilla-Lehrling machen. Steffi wird ein Klumpen Maisteig in die Hände gedrückt und aufgefordert eine Tortilla zu formen. Das ist gar nicht so einfach wie das bei den einheimischen Frauen immer aussieht. Ohne Hilfe wäre Steffi’s Tortilla zumindest nicht rund und flach geworden.

Mit dem Chicken Bus fahren wir wieder runter ins nächste Dorf. Nach San Juan de Obispo. Gemäss Mario wurde der Ort von seinem Grossvater Francisco Marroquin gegründet, dem Urvater Guatemalas. Da Mario denselben Nachnamen trägt, soll es sein Grossvater sein, egal dass er einige Hundert Jahre zuvor lebte. Hier in San Juan besuchen wir eine Kakaofabrik und einen Weinladen. Uns wird in einfachem Spanisch erklärt, wie man aus den Kakaopflanzen schlussendlich feine Schokolade erhält. Die zwei Wochen Unterricht haben sich gelohnt, Steffi versteht jedes Wort und kann sogar Fragen stellen. Die Schokolade dürfen wir natürlich auch degustieren und wir müssen sagen, die ist wirklich sehr lecker.

Im Weinladen gegenüber verkosten wir dann noch den lokalen Wein. Unserer Meinung nach zwar eher ein Likör, denn er hat etwa 20 Prozent Alkohol und ist süss wie Anton. Gemacht wird der Wein aus Nispero (japanische Wollmispel), einer Frucht, die hier auf den Hügeln der Vulkane wächst. Momentan ist aber nicht Saison und deshalb können wir keine Frucht probieren.

Der Ausflug mit Mario war ein toller Abschluss nach zwei Wochen Intensivunterricht. Unseren letzten Schultag wollen wir natürlich noch ein bisschen feiern und gehen ein, zwei, drei Bier oder so trinken.

Nach über zwei Wochen in Antigua ist es an der Zeit weiterzuziehen. Wir wollen den bekanntesten See des Landes besuchen, den Lago Atitlan. Der See ist ein riesiger Vulkankrater und der tiefste See Guatemalas (oder Mittelamerika?). Rund um den See liegen diverse Orte, die man mit dem Auto erreichen kann. Einige davon sind einfach zu erreichen, einige weniger einfach und andere noch schwieriger. Wir entscheiden uns für San Marcos, einen Ortder weniger einfach aber nicht unmachbar schwer erreichbar ist. Wir entscheiden uns für San Marcos, da hier ein Campingplatz liegt, der besonders schön sein soll. Viele Freunde von uns haben schon einige Nächte hier verbracht und schwärmen davon. Die Fahrt nach San Marcos ist abenteuerlich, vor allem die Anzahl Kurven und das Gefälle der Strasse. Wir haben schon von Reisenden gehört, die nur mit viel Glück runtergekommen sind, da es so steil ist, Bremsen versagt haben oder einfach zu lang für die spitzen Kurven waren. Und so ist es dann auch. Es ist steil, eng und sehr kurvig aber für unseren Lennyboy kein Problem. Die Bremsen stinken zwar, aber halb so wild. Im ersten Dorf angekommen heisst es dann, irgendwie durch die engen Gassen und durch den Markt navigieren. Wir müssen einmal quer durch San Pablo und dessen Markt fahren, um auf der anderen Seite auf die Strasse nach San Marcos zu gelangen.

Viele Nerven haben wir gebraucht, kommen dann aber nach 4 Stunden fahrt bei strömendem Regen auf dem Campingplatz Panajcap an. Auch die Einfahrt zum Campingplatz hat es wieder in sich, sehr steil und nur noch teilweise fester Boden. Wir überlegen uns heute noch nicht wie wir hier wieder hochkommen, sondern fahren einfach mal runter. Das wird dann schon schief gehen.

Wir verbringen vier Nächte auf dem Campingplatz, bei durchzogenem Wetter. In der Nacht und so bis am Nachmittag ist es meist trocken und ab dann fängt es an zu regnen und an den Abenden schifft es meist gerade runter. Deshalb erkunden wir die Region jeweils früh morgens und erholen uns am Nachmittag.

Der Campingplatz liegt am Rande von San Marcos. Der Ort ist bekannt für seine spirituellen Angebote – Yoga, Tantra, Tarot und so Zeugs. In den Läden gibt es vor allem Räucherstäbchen und Heilkräuter zu kaufen. Auf der Strasse gibt es dann auch noch andere Kräuter und Substanzen zu kaufen. Wir schlendern durch die Gassen und haben es nach einmal durchlaufen auch schon gesehen.

Wir nehmen das Boot nach San Pedro la Laguna. Hier werden Unmengen an jungen Backpackern beherbergt. Deshalb ist der Vibe hier nicht spirituell, sondern hier dominiert eher die Party, günstiges Essen und viel Alkohol. Deshalb machen wir in einem schönen Restaurant mit Blick über den See Pause und gönnen uns Shakshuka als Zmozmi.

Von San Pedro aus fahren wir mit dem Tuktuk ins Nachbardorf San Juan. Das farbige Dorf ist für seine Wandmalereien und Kunstinstallationen bekannt. Uns gefällt es hier auf Anhieb sehr gut. Der Ort kommt noch am ehesten an richtiges guatemaltekisches Leben ran. Wir beobachten junge Männer bei einem Maya-Ballspiel und bekommen eine Vorführung wie die Frauen hier Baumwolle färben und zu Kleidung verarbeiten. Das war wirklich erstaunlich! Die färben Wolle aus den Blättern von grünen Bäumen und kriegen so aus grünen Blättern blaue, rote, gelbe, orange, pinke Wolle hin. Sehr beeindruckend. Wir machen auch gleich Grosseinkauf an Souvenirs, denn ein Teil des Erlöses geht an die lokalen Frauen und die Jugend, um deren Ausbildung zu finanzieren. Eine tolle Sache finden wir.

Viel Zeit am See verbringen wir auf dem Campingplatz. Dieser ist wirklich sehr schön gelegen und man hat einen wunderbaren Ausblick auf den See, auf drei Vulkane und die gegenüberliegenden Dörfer am Ufer. Viel machen wir nicht. Wir backen Brot und Kuchen und spielen eine Runde Brändi Dog mit Tamara und Andi (die Walliser sind am zweiten Tag auch hier angekommen) und kredenzen uns ab und zu ein Aperöli.

Manuel will noch einen Ausflug unternehmen und lässt sich von Steffi nicht umstimmen. Die Wanderung auf den Hügel Rostro Maya, die Indian Nose, wie sie auch genannt wird. Und Manuel will nicht einfach irgendwann da rauf, er will für den Sonnenaufgang hoch. Um 4 Uhr morgens! Ja, so machen wir es und werden um 4 Uhr von einem Tuktuk abgeholt und zum Ausgangspunkt der Wanderung gefahren. Mit dabei sind Marie und Chad, ein Paar aus den USA, die auch auf dem Campingplatz sind und sich uns spontan angeschlossen haben. Es war wirklich sehr früh und auch noch ziemlich kalt. Doch zum Glück ist auch Steffi der Meinung, dass sich das Aufstehen gelohnt hat. Vom Aussichtspunkt sieht man über den ganzen See und wir haben Glück, das Wetter ist perfekt. Nur ganz in der Ferne verdecken einige Wolken den Blick auf den Acatenango und den Fuego, aber der See und die umliegenden Vulkane sind wolkenfrei. Für die Wanderung haben wir am Vorabend einen Guide organisiert. Für wenig Geld bringt er uns hoch und macht uns oben einen heissen Kaffee. Ohne Guide könnte man zwar auch hoch, doch es wurde von Raubüberfällen berichtet und zudem hätten wir den Wanderweg niemals ohne Guide gefunden. Mit dem Guide soll es sicherer sein und zudem gibt man einem Einheimischen ein Einkommen. Auch wenn der Guide nicht der Hammer war, wir würden es wieder so machen.

Das wars von uns und dem See. Mit einem letzten, lauten und sehr nassen Gewitter verabschiedet sich die Region von uns. Das Wasser läuft wie ein Fluss die Strasse runter. Hoffentlich wird es morgen besser. Morgen früh wollen wir weiter in Richtung… Antigua again!

Die Fahrt raus aus dem Camping stellt sich dann doch noch als ziemlich abenteuerlich heraus. Erst beim dritten Anlauf schaffen wir es von der Rasenfläche über das lose Geröll auf die etwas grösseren Steine. Da das Ganze so steil ist hat Lenny ziemlich Mühe da rauf zu kommen. Doch wir schaffen es und auch die kurvige Strasse von San Marcos hoch auf den Highway überstehen wir irgendwie. So kommen wir am späteren Nachmittag wieder in Antigua an. Es fühlt sich schon fast so an, als würden wir nach einem Ausflug wieder nach Hause kommen.

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