Durchkreuzte Pläne in Guatemala

Von Coban wollen wir eigentlich in den Norden in die Kleinstadt Chichicastenango zu einem der grössten und populärsten Märkte Guatemalas fahren. Doch das war mal wieder nur ein Plan, der dann doch nicht ganz funktionierte. Schon seit einigen Tagen plagen Manuel Zahnschmerzen. Noch auf der Kaffeefarm in Coban haben wir deshalb entschieden, unsere Pläne zu ändern und direkt nach Antigua zu fahren. Die Schmerzen sind inzwischen so schlimm, dass er nachts kaum noch schlafen kann.

Und so kommt es, dass wir nun quer durch den wilden Verkehr von Guatemala City fahren und schon bald in Antigua ankommen. In Antigua fahren wir zu einem grossen Garten, dem «Verde Eventos». Der grosse Garten kann man für Geburtstage, Quincinieras oder Hochzeiten mieten. Nebenbei wird der Garten auch als Campingplatz genutzt. Das Gute daran ist, er liegt nur wenige Gehminuten vom grossen Markt und dem historischen Zentrum der ehemaligen Hauptstadt Guatemalas entfernt. Zudem gibt es eine Toilette und sogar eine kalte Dusche.

Manuel hat notfallmässig gleich am nächsten Morgen bei einem Zahnarzt einen Termin erhalten. Bis dahin wird Schmerzmittel genommen und so können wir uns trotzdem einen ersten Eindruck von der Stadt machen. Wir schlendern durch die Gassen und plötzlich steht vor uns ein grosser, rothaariger Mann. Den kennen wir doch?! Es ist Heinz! Der Norddeutsche Heinz hat sich in Vancouver ein Auto gekauft und ist auch seit fast einem Jahr unterwegs. Wir haben ihn an Weihnachten auf Baja kennengelernt und seither nicht mehr gesehen. Da Manuel nicht fit ist, vertagen wir das Wiedersehens-Bier auf morgen und gehen schon bald nach Hause und ins Bett.

Der nächste Morgen, 11 Uhr. Manuel ist bei der Zahnärztin. Sie macht ein Röntgenbild und sieht gleich, das ist eine Infektion… der alte Zahn muss raus und ein neuer Goldzahn muss rein! Wäre zwar cool, aber so ist es nicht. Manuel geht nicht unter die Hobby Gangsterrapper und kriegt keinen goldenen Zahn. Aber die Infektion, die ist wirklich da. Der alte Stiftzahn muss raus, Wurzelbehandlung muss gemacht werden und eine neue Krone rein. Das ganze Prozedere dauert etwa 2 Wochen, denn die vier benötigten Termine müssen mit einem Abstand von jeweils einigen Tagen sein. Oh Mist, denkt sich Manuel noch auf der Zahnarztliege… was machen wir nun zwei Wochen hier?!

Zurück auf dem Campground überbringt er Steffi die Nachricht. Diese sieht es locker und hat schon eine perfekte Lösung parat. Sie hat mit Heinz gesprochen, er ist zurzeit in der Sprachschule und ist begeistert von seinen Fortschritten. Wir überlegen es uns und entscheiden, die 2 Wochen, die wir warten müssen mit etwas Sinnvollem zu verbringen. Am nächsten Morgen spazieren wir zum Büro der Schule und sprechen mit dem Direktor. Dieser bucht uns gleich für nächste Woche je einen Privatlehrer. Gleich danach kriegt Manuel per WhatsApp eine Nachricht vom Zahnarzt. Es ist ein Termin freigeworden und sie kann gleich noch heute mit der Behandlung loslegen. Manuel zögert nicht, denn trotz Antibiotika und Schmerzmittel schmerzt mittlerweile der ganze Kiefer. Umso schneller das Ding draussen ist, desto besser. Und tatsächlich, am Abend ist der alte Stiftzahn draussen und die Schmerzen sind wie von Zauberhand verschwunden.

Am nächsten Montag geht es los mit dem Intensivunterricht. Das Wochenende wollen wir jedoch noch ohne Schulstress geniessen und unseren ursprünglichen Plan (nach Chichicastenango zu fahren) nachholen. Der Ort befindet sich in den Bergen, drei Stunden kurvige fahrt haben wir vor uns. Der bekannte Markt findet immer donnerstags und sonntags statt. Anstatt donnerstags sind wir nun halt am Sonntag da, macht ja nichts. Der Markt soll einer der Grössten Lateinamerikas sein, der Schönste Guatemalas und einer der historisch bedeutendsten Märkte der Mayas. Das der Ort für die Mayas speziell ist merken wir auch auf dem Campingplatz. Hier gibt es einen Maya-Altar, der von den Einheimischen regelmässig besucht und Kerzen angezündet werden. Oder manchmal auch ganze Autoreifen, was wir dann eher weniger verstehen können. Der Markt selbst ist bekannt für seine farbenfrohen Textilien, Jadeschmuck und traditionelles Holzhandwerk. Wir spazieren den ganzen Sonntag durch das Labyrinth des Marktes und kaufen das eine oder andere Souvenir. Gegen Abend fahren wir die kurvige Strasse wieder den Berg hinunter, zurück nach Antigua. Ab Morgen gilt es dann Ernst!

Wie es der Zufall so will, ist unser erster Schultag auch gleich der Tag, an dem wir vor einem Jahr nach Kanada geflogen sind. Wir sind nun ein Jahr unterwegs und heute brauchen wir seit langem wieder mal einen Wecker. Ausser natürlich an den Tagen, an denen wir Tauchen waren oder für Sonnenaufgänge aufstanden – das war aber Vergnügung, das zählt nicht. Um 7:30 Uhr treffen wir unsere Lehrer. Manuel die 70-jährige Marina, Steffi den 58-jährigen Mario. Mit unseren Lehrern spazieren wir vom Büro der Schule in das nahegelegene «Schulhaus». Unser Schulhaus ist ein Anwesen mit grossem Garten. Die Tische stehen überall, im Garten, auf dem Sportplatz auf dem Balkon des Gebäudes. Perfekt um hier einige Brocken Spanisch zu lernen. Immer um 10:00 Uhr gibt es eine halbstündige Pause. Und es gibt immer eine grosse Auswahl an Essen. Dank Doña Ana müssen wir in Antigua nicht frühstücken, es gibt für wenige Quetzals (so im Schnitt 60 Rappen pro Taco, Tostada oder Sandwich) was zu essen. Mega lecker und soooo günstig 😊

In der Pause treffen wir uns mit Altbekannten. Natürlich Heinz, aber auch Kay und Franzi (Roadfuxx) die wir auch auf Baja kennengelernt haben sind momentan hier in der Schule. Zudem gesellen sich auch noch Michaela und Peter (Exploring509) zu uns. Vom Rooftop des Schulhauses haben wir den perfekten Blick auf den Hausberg (oder Hausvulkan) von Antigua. Der Vulkan de Agua. Nach der Pause gilt es dann wieder Spanisch zu sprechen, Voci zu lernen oder Verben zu konjugieren (und Aussprachübungen machen, gell Steffi… aaaaoooooouuuuoooiiiiiiiiiiiaaa)

Vier Stunden sind wir jeweils morgens im Unterricht und wir machen wirklich ziemlich Fortschritte. Von jetzt an regelt Steffi an den Grenzübergängen alles allein😉 Die Nachmittage verbringen wir in Antigua. In unserem Garten am Hausaufgaben machen, am Erkunden der Innenstadt Antiguas, auf dem Markt oder in einem der unzähligen Biergärten und Restaurants der Stadt. Die Gastronomie hier ist ziemlich westlich und es hat nur wenig guatemaltekische Restaurants. Wir gehen ins Smokehouse, zum Griechen, in die Pizzeria, zum Schweizer (Zörigschnätzlets und Älplermagronen, hat uns aber nicht ganz so überzeugt) und natürlich besuchen wir auch alle lokalen Craft-Brauereien. Unser Favorit ist der El Bosque, ein grosser Park mit Biergarten und Craftbier der Brauerei Antigua Cerveza.

Das Wetter ist leider nicht perfekt, es regnet fast täglich ein bisschen. Wenigstens sind so die Temperaturen schön angenehm. Bei 30 Grad tagsüber kühlt es nachts schön ab und wir packen mal wieder lange Hosen und Pullover aus.

Ende der Woche fahren dann noch weitere Freunde auf den Campground. Fabienne und Simon (the one and only super famous Southpolebears) kommen uns besuchen. Sie glauben uns noch immer, dass Manuels Zahn goldig wird und er sich ein dazu passendes Tränen-Tattoo stechen, sowie einen Rap-Kurs belegen wird. Sie sind richtig enttäuscht als wir ihnen die Wahrheit über den Zahn erzählen. 🤣

Es ist Donnerstagmorgen und wir spazieren gemütlich zur Schule. In der Ferne sehen wir den bekannten, aktiven Vulkan de Fuego und sein benachbarter Vulkan, der Acatenango. Diesen kann man erklimmen und genau das planen wir für den kommenden Samstag. Der Plan ist den Acatenango zu erklimmen und Zeugen von mehreren Eruptionen des Fuegos zu werden. Auch all unsere Freunde haben dasselbe vor, denn Samstag ist der einzige Tag, an dem es nicht regnen soll. Doch wie gesagt, es ist Donnerstagmorgen und wir spazieren nichtsahnend in die Schule. In der Ferne sehen wir, wie der Fuego soeben explodiert. Uns scheint, als sei es eine etwas grosse Asche-Wolke, doch ahnen nichts weiter. Wenig später erfahren wir durch die internationalen Medien, dass die Region um den Vulkan evakuiert wird und es sich um eine der grössten Eruptionen seit langem handelt. Dass die Eruption gross war, sind wir uns sicher, doch dass die Region grossräumig evakuiert wird? Wir sitzen am Fusse des Vulkanes in der Schule und haben nichts mitbekommen 😊

Jetzt hoffen wir nur, dass die Eruption keine Auswirkungen auf unsere Pläne vom Wochenende hat… fingers crossed!

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